Richtig geraten. Ich bin wieder sehr früh losgefahren. Soweit nichts neues. Der große Unterschied war – heute regnete es nicht. Zumindest wurde ich von Oben heute mal nicht nass.

Ich wusste, dass heute wahrscheinlich der schwirigste Abschnitt der Reise vor mir lag. Schaffte ich heute 400km oder 40km? Ich hatte keine Ahnung. Die große Herausvorderung des heutigen Tages war es wohl über die Vitim River Bridge und über die Kuanda Bridge zu kommen. Alles andere wäre nur eine Draufgabe.

Die Straße aus Taksimo raus war wieder eine breite Sandpiste. Wieder mal „Dakar“ feeling Yiiiiihaaaaaa. Aber bald schon wurde die Straße schmäler und nach einer Stunde fahrt sah ich eine junge russin nackt beim Duschen am Straßenrand. Hab ich schon Halluzinationen? Sie war ein bisschen überrascht mich zu sehen. Meine freudige Überraschung schwand ein bisschen, als ihr ebenso russischer Freund auftauchte. Die zwei waren in ihrem 4×4 Truck unterwegs und wir tratschten ein wenig. Woher? Wohin? Wie viel Wasser führen die Flüsse? Wie ist der Zustand der Brücken? Komme ich über die Kuanda Bridge? Das übliche halt. Die Neuigkeiten waren nicht sehr aufbauend. Der Brückenwärter der Kuanda Bridge schien nicht wirklich kooperativ zu sein. Selbst sie als Russen hatten keine Chance die Brücke queren zu dürfen. Sie meinten die Beste Chance wäre heimlich in der Nacht.

Ich bereitete mich schon darauf vor bis zur Nacht zu warten und mich dann über die Brücke zu schleichen.  Die Strecke wurde immer rustikaler. Ich liebte es!

Wo es keine Brücken gab, war die Straße oft überschwemmt. Meine Angst vor Wasser half da nicht wirklich. Manche Pfützen waren richtige Löcher und bis zu Hüfttief. Das war eine richtige Herausforderung und ich war nervlich extrem angespannt bei einigen dieser Wasserquerungen. Leider gibt es wenige Bilder davon, denn da hatte ich wirklich andere Sorgen.

Endlich erreichte ich die Vitim River Bridge. Diese Brücke hat in Adventure Kreisen schon einige Berühmtheit erlangt. Die Brücke ist ca. 600 meter lang, 20 meter hoch und nur ca. 2,5 meter breit, aus morschen Brettern und ohne jegliche Absturzsicherung. Beim Anblick macht man sich beinahe in die Hose.

Man muss zu diesen Brücken über die großen Flüsse etwas erklären. Diese strategisch wichtigen Brücken sind alle von Brückenwärtern bewacht. Diese lassen dich entweder passieren, oder auch nicht. Manchmal hilft ein freundliches Gespräch, manchmal ein bisschen Geld. Manchmal muss man die Eisenbahnbrücke verwenden, weil die Versorgungsbrücke eingestürzt ist und dann geht oft nichts und du darfst einfach nicht passieren.

Hier aber fand ich einen freundlichen Brückenwärter vor. Von der Überquerung der Vitim River Bridge habe ich ein Video, das einen kleinen Eindruck vermittelt. Der Brückenwärter meinte: „Du kannst da nicht fahren, du musst schieben“. Naja – ihr wisst schon, was das für mich bedeutet. Das ist wie wenn du Marty McFly eine „Feige Sau“ nennst.

Du machst dir vor Aufregung fast in die Hose (schon wieder). Und wie Oskar in „Armageddon“ schon sagte. „Es ist eine Mischung aus Vorfreude und Angst. Ca. 98% Aufregung und 2% Schiss, vielleicht ein bisschen mehr. Es sind vielleicht 98% Schiss und 2% Aufregung, aber deswegen ist es so intensiv, weil man das nicht so genau trennen kann“

Wahnsinn. Was für ein geiler Trip. Und nach einer weiteren Stunde Fahrt erreichte ich schließlich die Kuanda Bridge. Wie man sehen kann, ist die Versorgungsbrücke eingestürzt und unpassierbar. Auch durch den Fluss zu kommen ist unmöglich. Selbst die großen 4×4 Trucks haben das nicht geschafft.

Also blieb mir nur die Eisenbahnbrücke. Und ich wusste von dem grantigen Brückenwärter. Na schau ma mal. Ich fuhr also zum Brückenwärter und frage auf Russisch „Darf ich die Brücke queren?“  Es folgte ein kurzes „Njet“ „Du verstehst nicht“ sagte ich „ich MUSS die Brücke queren“ (Juri hat mir genau gesagt wie ich das formulieren muss) „NJET und es folge ein langes blablablab das ich nicht verstand. Klang ähnlich wie tirolerisxh, nur halt andere Worte. Er hörte nicht auf zu reden und selbst das „Njet“ klang eigentlich nicht unfreundlich. Eher so wie ein „vielleicht“. Also sagte ich „Baschalusta (bitte) I bin nur adin (ein) matazykl (motorrad) und i brauch nur dwazed (zwanzig) sekunda (sekunden) und schwuppsdiwupps bin i a scho drüber“ Er schaute mich an, zuckte mit den Schultern (was ich als OK wertete) und ich grinste zurück und sagte „Dobri?“ (OK) und fuhr los.

Keine Minute Später war ich auf der anderen Seite der Brücke und konnte es nicht glauben. Andere vor mir warteten Tage und konnten nicht queren. Ich brauchte gerade mal 10 Minuten. Ich flippte fast aus vor Freude. Aber es war niemand da ders gesehen hätte, deshalb ließ ich es bleiben – das Ausflippen und machte ein idyllisches Foto.

Es war erst 11 Uhr morgens und hatte praktisch mein Tagesziel erreicht. Zur Belohnung kaufte ich mir in Kuanda im Supermarkt frisches Wasser und eine Salami.

Beim verstauen der Wasserflasche kippte mein Motorrad um und ich hatte meinen Finger in einem der Zurrgurte verhakt. Es machte einen lauten Knacks und ich spürte wie meine Sehne im rechten Zeigefinger riss. „Autsch“. Verdammt genau das brauche ich. Mit diesem Finger machst du praktisch alles: Bremsen, Reisverschlüsse zumachen, irgendetwas angreifen. Ihr kennt das. Und das blödeste ist: Es ist nichtmal eine coole Stroy.

Nach diesen beiden Brücken wurde die Straße wirklich schlechter. Es fehlten immer öfter Teile des Weges und man konnte nicht mehr einfach mit 100 Sachen dahinbrettern.

Alle paar Kilometer galt es eine verrottete Brücke oder einen Fluss zu queren. Die Entscheidungen waren oft nicht leicht. Riskierst du von der Brücke zu fallen oder im Wasser zu ersaufen?

Durchs Wasser….
…oder über die Brücke

Die Landschaft war einfach traumhaft. Endlose grüne Wälder dazwischen klare Bergseen  eingebettet in ein sanftes Gebirge. Das alles in absoluter Wildnis und Einsamkeit. Ich fand das Paradies auf Erden.

Und ein paar Kilometer weiter fand ich sogar einen Sandstrand.

Ich machte eine kurze Pause um alles rund um mich herum aufzusaugen.

Und noch ein paar der unzähligen Brücken

Ich kam in eine relativ große Siedlung namens „Nova Chara“ In der Nähe der Stadt gab es eine richtige Wüste. Man weiß nichtmal so recht woher die kommt. Aber es schaut recht spektakulär aus mit den Bergen im Hintergrund.

Ich hatte immer noch 4-5 Stunden Tageslicht zur Verfügung und beschloss noch weiter zu Fahren. Vielleicht schaffte ich es sogar noch bis nach Chani heute.

Hier lag sogar noch Schnee mitten im August.

Auf dem nächsten Pass bot sich mir eine atemberaubende Aussicht auf den See und die Wälder und die Berge im Hintergrund. Es waren nur noch 20 km bis nach Chani, aber ich beschloss hier mein Zelt aufzuschlagen und heute mit den Bären zu übernachten. Was für ein grandioser Platz.

Ich war so überwältigt von dem Tag. Ich benutzte heute mein Satellitentelefon, das ich für Notfälle mit hatte und rief zu Hause bei Verena an und bedankte mich, dass sie mir die Möglichkeit gab dieses tolle Abenteuer zu erleben.

Dieser Tag bot einfach alles. Furchteinflößende Flussquerungen über morsche Brücken schwierige Wasserdurchfahrten, freundliche Menschen und eine spektakuläre Landschaft. Ein unglaublicher Tag.

Aber ich musste demütig bleiben. Ich weiß leider selbst schon aus Erfahrung dass aus dem besten Tag deines Lebens innerhalb von Sekunden ein absoluter Albtraum werden kann. Mit diesem Wissen kuschelte ich mich demütig in meinen Schlafsack.

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