Ein „Bonesman“ ist ein Abenteurer, der die Road of Bones mit Geländewagen oder Motorrad „bezwingt“. Ich glaube nicht, dass es eine offizielle Bezeichnung gibt aber hey – es gibt einen Aufnäher für die Jacke und es gibt sogar eine Facebook-Gruppe. 

Kann das echt wahr sein? Es sind nur noch 400 km nach Magadan und somit wird das heute der letzte Tag auf meiner Reise. 

Der Enthusiasmus wird ein bisschen vom Wetter ausgebremst. Es hat seit gestern Nacht nicht aufgehört zu regnen. Ich verabschiede mich dennoch von meiner gestrigen Luxus-Herberge.

Einmal noch volltanken auf einer Tankstelle wo man wieder einmal nicht weiß, ob es eine Ruine ist, oder ob da tatächlich jemans Sprit verkauft.

Dies Straße hat sich durch den Dauerregen in eine abartige Drecklacke verwandelt. Aber zumindest der Reifen hatte guten Grip und das Fahren war trotz allem nicht sehr anstrengend.

Aber jedes Mal wenn ein Lastwagen entgegenkam, wurde ich mit einer vollen Ladung sibirischen Sand überzogen. Ich mag ja prinzipiell „Face Shots“ aber nur diese mit Pulverschnee beim Tiefschneefahren. Selbst 10 Jahre danach finde ich in meinem Motorrad immer noch diesen Sand in verschiedenen Ritzen des Motorrades. 

Abseit der Straße eine endlose Sumpflandschaft. 

Es ist zwar die letzte Etappe nach Magadan. Aber irgendwie werd ich melancholisch und mag nicht, dass die Reise schon zu Ende geht. In einem alten Bericht habe ich etwas von einem Gulag Camp und einer Uranmine aus dem Krieg gelesen. Diese Mine und das Camp wollte ich noch finden und bog noch einmal von der Hauptverbindung nach Magadan ab,

Sobald ich die Straße verließ und auf den Weg Richtung Mine abbog begann ein weiteres Abenteuer. Es waren unzählige Sumpflöcher zu queren. Ach wie liebte ich das. Diese Aufregung nicht zu wissen ob man es schafft, hunderte Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt, wo jede entscheidung Fatal enden kann. 

Manche Wasserlöcher waren so tief, dass das Motorrad bis zum Lenker versank. Leider gibts davon keine Bilder. Ich war froh dass ich da irgendwie durchkam. Und das Ganze zog sich über viele Kilometer.

Ich bereute nicht die „Old Summer Road“ gemacht zu haben. Genau diese Verhältnisse hätte ich dort erwartet. Wahnsinn dieser nicht enden wollende Adrenalinkick.

Der Weg führte mich weiter auf ein höhergelegenes Tal. Die Wolken lichteten sich ein wenig, sogar die Sonna zeigte sich. Diese Szenerie hatte eine unbegreiflich friegliche Wirkung auf mich., Ich fühlte mich absolut im Reinen mit mir und der Welt. Ich hatte noch nie so ein zufriedenes Gefühl. 

Zur gleichen Zeit aber wusste ich, dass hier in der Nähe ein Gegangenenlager war und hier Menschen im zweiten Weltkrieg um ihr überleben unter härtesten Bedingungen gekämpft haben. 

Ich kam zu einer Flussquerung. Nicht allzu schlimm, nicht allzu tief. Aber an der tiefsten stelle sprang die Kette vom Kettelblatt und verhakte sich im Ritzel. Somit war Zeit für eine wenig Workout, denn das Motorrad musste irgendwie wieder an Land. Schieben ging nicht, weil die Kette auch das Hinterrad blockierte. Also zog und zerrte ich eine gute Stunde an meinem Motorrad, bis ich es wieder auf festem Boden hatte. Danach machte ich mich daran die Kette frei zu bekommen.

Ich war also mit meiner Kette beschäftigt, genehmigte mir nebenbei das letzte Packerl Mannerschnitten, das ich mir von zu Hause als Survival-Notration mitgenommen hatte und als ich mich einen Moment kurz umblickte entdeckte ich ihn! oder Sie? Ich weiß es nicht. War im Endeffekt auch wurscht,.

Du sitzt also da mit einer kaputten Kette, einem Motorrad das sich nicht bewegt, an einem Platz wo du dich wegen hoher nuklearer Strahlung nicht lange aufhalten solltest und mit einem Bären im Rücken der vermutlich mehr Gusto auf dich als auf deine Mannerschnitten hat.Und da war dann der Punkt gekommen wo ich selbst zu mir sagte: „Hansjörg“ sagte die Stimme in meinem Kopf „Ich glaube es ist jetzt Zeit nach Hause zu fahren“.

Die Leute sagen immer zu mir ich wär so ein wilder Hund und bewundern was ich mache. Für manche bin ich ein Held und man bekommt komplimente was für „dicke Eier“ man doch hat. Die Wahrheit ist dass das was ich mache ja einfach nur zum Spaß ist und mir Freude bereitet und wenn ich Glück habe andere Menschein inspiriert.

Ich saß also da neben meiner Maschine die nicht mehr lief, ein Bär kraulte mir den Rücken und ich blickte in dieses Wunderbare, friedliche Tal. Und da sah ich auf einmal die Kriegsgefangenen des zweiten Weltkriges geistig vor mir, die hier im Winter bei -50 Grad in den Minen arbeiteten, im Sommer bei +30 Grad in den Sümpfen von Moskitos halb gefressen wurden. Sie hatten nichts als einen Wollpullover, vielleicht ein paar Handschuhe und wenn sie Glück hatten, dann hatten sie warme Schuhe.

Sie hatten zu wenig zu essen. Viele starben – wenige überlebten. Nur eine Handvoll konnte entkommen. Unter ständigem Beschuss der Wachen schafften sie es vielleicht zu fliehen. Machten sich bei konstant unter 40 Grad auf den Weg durch den fernen Osten Russlands nach Sibierien. Bis sie nach 3 Monaten der Angst und des Hungerns den Baikalsee erreichten. Sie folgten dem See und gelangten nach 2 weiteren Monaten in die Mongolei. Sie überlebten die Wüsten der Mongolei, überquerten den Himalaya zu Fuß und erreichten nach 2 Jahren schlussendlich Indien. Von dort versuchten sie ihre Heimat Polen, Östereich oder Deutschland zu erreichen. 

Und ich saß da mit meinem 1000 Euro Gore-Tex Anzug und meinem Satelliten Telefon. Irgendwie fühlte ich mich gar nicht wie ein Held, sondern wischte mir die Tränen aus den Augen wegen dem Gedanken an diese furchtbaren Schicksale. Ich fühlte mich klein und ehrfürchtig. Aber ganz sicher nicht wie ein „Held“.

Natürlich bin ich Stolz, dass ich jetzt ein „Bonesman“ bin. Aber nicht weil ich irgendetwas besonders gut kann oder geschafft habe, sondern weil ich eine neues Gefühl an Bescheidenheit, Ehrfurcht und mentaler Stärke erleben durfte. 

Es waren nur noch ein oder zwei Kilometer zum alten Gefangenenlager. Aber es war nicht mehr wichtig dorthin zu fahren. Ich reparierte meine Kette und fuhr zurück zur Straße für die letzten Kilometer nach Magadan. 

Die letzten Kilometer waren unglaublich zäh. Ich zählte jeden Kilometer und es wollte nicht enden. 150 Kilometer vor Magadan hatte ich das erste Mal seit ca. 7.000 km wieder Asphalt unter den Rädern. Was für ein unglaublich geiles Gefühl!!

2 Stunden später erreichte ich Magadan und die „Mask of Sorrow“ die an die Toten beim Bau der Road of Bones erinnern soll.

Das Ende meiner Reise war also gekommen. Mein Motorrad blieb in Magadan, wurde dann aber schlußendlich von einem portugiesischen Motorradabenteurer der von meiner Reise erfahren hatte zurück nach Österreich gebracht und ich habe das Motorrad wieder bei mir. 

Ich habe die Heimreise mit dem Flugzeug angetreten und wurde mit einem riesen Bahööö in Wien am Flughafen von meinen Freunden und meiner Familie empfangen. Ein großartiger Abschluss des Abenteuers.

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