Nach dem traumatisierenden Lawinenunglück musste ich schließlich entscheiden, ob ich meinen Urlaub abbreche, oder ob ich mich gleich wieder in die Berge wage. Nach ein paar Tagen in Vancouver beschloss ich nach langem Überlegen, dass ich meine Reise fortsetze. Am Plan standen drei Tage bei Bella Coola Heli Sports in den Küstenbergen British Columbias.  Es war mein erster Trip (von insgesamt drei, die noch folgen werden) in dieses Gebiet Hier findet man einige der majestätischsten und wildesten Berge Kanadas. Mit dem Mt. Waddington mit 4.019 Metern Höhe findet man hier auch den höchsten Berg, der zur Gänze in British Columbia liegt. Er wird oft mit dem Mt. Blanc verglichen und es scheiterten bereits 16 Expeditionen an einer Besteigung bevor sie 1936 schließlich gelang. Die Nanga Parbat Besteigung aus dem Film „7 Jahre in Tibet“ wurde in diesen Bergen gefilmt und wahrlich hat dieses Gebirge oft die Dimension der Himalaya Riesen. Misst man nur den Anstieg vom Fuß des Berges bei 150m bis zum Gipfel, ist der Mt. Waddington sogar „höher“ als der Mount Everest.

Auf diese beeindruckende Bergwelt habe ich mich also wirklich gefreut. Und bereits der Flug nach Bella Coola sollte ein Highlight der Reise werden. In einer kleinen Maschine für nur 19 Fluggäste – einer Beechcraft 1900 – geht es zuerst entlang der Pazifikküste und dann über die Küstenberge British Columbias Richtung Norden. Ich platziere mich gleich auf einem der Sessel auf der rechten Seite. Hier hat man den besten Blick auf die Berge. Das Wetter ist gigantisch und wir picken alle mit der Nase an der kleinen Fensterscheibe und versuchen an den Bergflanken Lines zu erkennen, die man befahren könnte. Beat – einer der Besitzer von Bella Coola Heliskiing – sitzt direkt vor mir und zeigt mir, welche Hänge und Rinnen er schon befahren hat.

Doch wie aus dem nichts, werde ich aus meinen Träumen gerissen. Wir werden alle aus den Sitzen gehoben und befinden uns auf einmal im freien Fall. Zum Glück waren wir alle angeschnallt. Beat und ich fanden es im ersten Augenblick noch lustig und rissen die Hände hoch, wie in der Achterbahn, wenn es in den freien Fall geht. Aber bald wich dem Spaß eine leichte Panik. Die anderen Fluggäste fingen an panisch zu schreien und auch ich fühlte mich nicht mehr wohl. Der freie Fall hörte nicht auf. 40 Sekunden (lauf späterer Auskunft vom Piloten) ging es im freien Fall bergab. Beim Blick aus dem Fenster sah ich schon die vergletscherten Hänge der Berge neben mir. „Scheisse – was wenn vor uns auch ein Berg ist“ dachte ich mir. Wir werden einfach detonieren und explodieren. Das wars dann wohl. Aber auf einmal spürte ich wieder Druck unterm Allerwertesten. Das Flugzeug wurde wieder nach oben gedrückt, jedoch mit so einer Kraft, dass ich fast ohnmächtig wurde. Dabei kippte das Flugzeug stark zur Seite und begann wieder abzudriften. Dann ging es noch einmal 20 Sekunden bergab. Insgesamt waren wir 60 Sekunden im freien Fall, bevor die zwei Piloten das Flugzeug wieder unter Kontrolle bringen konnten. Manche Frauen behaupten, dass 60 Sekunden nicht lang sind, aber wenn du in einem abstürzenden Flugzeug sitzt, dann kommt es dir echt ewig vor.

Das wars aber noch nicht. Das Flugzeug flog zwar wieder stabil, aber der rechte Flügel hatte einen Riss und Kerosin trat aus. Der Pilot entschloss sich zu einer Notlandung. Wir wurden informiert wie wir uns zu verhalten hatten und dass er versuchen wird die Maschine auf einem Hochplateau in der Nähe einer Ranch bei Anahim Lake Not zu landen. An die Landung selbst kann ich mich komischerweise nicht mehr wirklich erinnern. Nur dass wir im Schnee stehend unser Gepäck ausluden und beide Piloten sichtlich geschockt neben der Maschine standen und uns baten, keine Fotos zu machen. Wir gingen zu einer nahegelegenen Straße und warteten dort auf einen Bus, der uns abholen sollte. Irgendwer kramte inzwischen irgendwoher zwei Flaschen Bacardi hervor, mit denen wir auf die gelungene Landung anstießen.

Später am Abend in der Tweedsmuir Lodge von Bella Coola Heli Sports floss dann noch einiges an Alkohol am offenen Kaminfeuer und ich philosophierte mit der charismatischen Big Mountain Legende Peter „The Swede“ Mattson darüber, ob ich mir zur Erinnerung an diese Geschichte ein mit dem Schürhaken des Kamins von Bella Coola Heliskiing ein Branding auf den Arsch verpassen lassen sollte.  Warum das dann nicht zustande gekommen ist, weiß ich auch nicht mehr. Irgendwer muss mich davon abgehalten haben, anders kann ich mir das nicht erklären. Manchmal finde ich es schade, aber manchmal dann auch wieder nicht 😊

Das war er – der Jänner 2009, der mir ewig in Erinnerung bleiben wird. Turbulenzen im Flieger mag ich seitdem nicht mehr so gern. Also sollte ich mal im Flugzeug neben Euch etwas verkrampft wirken, wenns schüttelt, dann nicht wundern, sondern mich mit einer Flasche Rum beruhigen. Geht auch als Mischgetränk mit einem Schuss Cola.

Ein Video vom Absturz gibt es dann doch noch. Zwar nicht ganz original. Aber gefühlt wars genau so. Schwöre.

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